21.10.2008—29.3.2009
MAK Schausammlung Gegenwartskunst

Heimo Zobernig, seit den 1980er Jahren eine Schlüsselfigur der österreichischen Kunstszene, bewegt sich in seinem Werk, das mit Arbeiten für das Theater seinen Ausgangspunkt nahm, an der Schnittstelle zwischen Konzept und Artefakt, Modell und Architektur, Material und Form, Rolle und Film, Zeichen und Text. Mit kalkuliert-ironischer Distanz durchleuchtet er tradierte Systeme und Normen, insbesondere die Rahmenbedingungen von Kunst; die Auseinandersetzung mit modularen Elementen zeigt sich auch in der Verwendung von Materialien und Gegenständen aus industrieller Produktion.

Unter dem Titel „TOTAL DESIGN“ der MAK-Ausstellungsreihe „KÜNSTLER IM FOKUS“ wird eine Zusammenstellung von Werkgruppen gezeigt, die an der Grenze von Skulptur, Raum, Architektur und Design angesiedelt sind.

Für seine Präsentation in der MAK-Schausammlung Gegenwartskunst setzte sich Zobernig mit spezifischen Gegebenheiten des Ausstellungsraums auseinander und entwickelte eine „transitorische“ Installation. Ein Tunnel, der sich dem Besucher durch das Moment der Bewegung erschließt, dient gleichzeitig als Kinoraum. Zu sehen ist das „Video Nr. 17“ (1998), aufgenommen während der Eröffnung der Gruppenausstellung „Sharawadgi“ in der Felsenvilla in Baden. Entsprechend der Blue-Box-Technik, die hier mit der aktuellen Raumverhüllung korrespondiert, wurde ein Zimmer mit blauem Fotokarton tapeziert und eine zusätzliche Bildebene eingeblendet. Zobernig integriert den im Film gezeigten Ausstellungsrundgang wiederum in die aktuelle Schau und verwebt so den Raum der Installation mit dem örtlichen und diskursiven Kontext.

Zobernigs Werke tragen die Bezeichnung „ohne Titel“, womit das jeweilige Objekt seine Bedeutung und Interpretation offen lässt. Die Auseinandersetzung des Künstlers mit modularen Elementen wiederholt sich in der Verwendung von Materialien wie Pressspan oder Karton und Gegenständen industrieller Produktion. Rein formal reduziert Zobernig, im Prozess einer analytischen Untersuchung, seine Objekte auf ein Minimum der für ihre Funktion notwendigen Eigenschaften. Das Ergebnis sind kontroverse Grenzüberschreitungen und „Kurz-Schlüsse“, die sich in einer betont reduzierten, auf die Minimal und Concept Art der 1960er Jahre verweisenden ästhetischen Formensprache manifestieren.

Eine chronologische Anordnung von „Regalen“, die ab den späten 1980er Jahren entstanden sind und in der MAK-Ausstellung eine in sich geschlossene Werkgruppe darstellen, reflektiert die programmatische Indifferenz des Künstlers hinsichtlich des Paradigmenwechsels von angewandter und bildender Kunst – ein Ansatz, der ihn von Donald Judd unterscheidet, einem der bedeutendsten Vertreter minimalistischer Kunst, der den Gegenstand aufgrund seiner Funktion als Kunst- oder Designobjekt definiert.

Eine Reihe weiterer hier präsentierter Arbeiten setzt sich mit Mechanismen der Wahrnehmung auseinander. Durch das Ausloten des Ausstellungsraums schafft Zobernig eine temporäre Installation, die durch die Zusammenstellung zweier Werke entsteht und einen labyrinthischen Raum erzeugt: Das Ensemble „ohne Titel“ (1998) besteht aus drei Paravents, die mit dem spiegelverkleideten Wandelement „ohne Titel“ (1999) den Betrachter in das Schaustück involvieren; die Idee des Panoramas hingegen zeigt sich in der auf ein architektonisches Versatzstück verweisenden Arbeit „ohne Titel“ (2008).

Ein Zugang zur aktuellen Ausstellung „TOTAL DESIGN“ führt durch die MAK-Schausammlung Wiener Werkstätte, die Zobernig 1993 durch eine künstlerische Intervention gestaltete, entsprechend dem experimentellen Ansatz des Hauses, angewandte Kunst, bildende Kunst und Architektur zu verbinden. Ein Objekt aus der von Zobernig konzipierten Präsentation für die Schausammlung findet sich in der Arbeit „ohne Titel“ (2003) der Ausstellung „TOTAL DESIGN“ wieder und stellt somit einen ideellen Zusammenhang zur Sammlung angewandter Kunst des MAK her. Das Ensemble zeigt drei Kopien nach dem Vorbild eines Schranks von Koloman Moser (1904) für das Sanatorium Purkersdorf, entstanden für die Schau „Josef Hoffmann und die Wiener Werkstätte“ im Kunsthaus Zug, Schweiz (2003); indem Zobernig einen dieser Nachbauten selbst ausführte und die weiteren durch zwei Haftinsassen und den Tischlermeister des Kantonalen Gefängnisses Glarus anfertigen ließ, ergibt sich eine multiple Autorenschaft künstlerischer Interpretation – ein Anknüpfungspunkt, der auch in der Arbeit „ohne Titel“ (2008) von Bedeutung ist: Hier stellt Zobernig eine narrative Geste zum Werk von Franz West her, mit dem ihn kooperative künstlerische Produktionen und etliche Gemeinschaftsausstellungen verbinden. So erklärt Zobernig ein von West für die Präsentation von Stühlen entworfenes Podest aus der vorhergehenden Ausstellung „Franz West. SIT ON MY CHAIR, LAY ON MY BED. Angewandte Kunst“ in der MAK-Schausammlung Gegenwartskunst zum Kunstobjekt.

In der MAK-Ausstellung „TOTAL DESIGN“ verdichtet sich eine Vielzahl von unterschiedlichen Bezugssystemen und Verweisen, die einerseits eine Vorstellung des „Musealen“ implizieren, andererseits scheinbar im Gegensatz zu Zobernigs gewohnter Reduktion von Elementen stehen. Auf diese Weise schafft der Künstler ein Zusammenspiel imaginärer Resonanzräume, die unmittelbar mit singulären Objekten, Werkgruppen und räumlichen Interventionen korrespondieren und als Transporter des von ihm angezettelten Diskurses fungieren.

Ausstellung  Heimo Zobernig, Peter Noever
Kuratorin Bärbel Vischer
Technische Koordination Michael Wallraff
Ausstellungsorganisation Sabrina Handler


Die Reihe KÜNSTLER IM FOKUS zeigt essentielle Werkgruppen maßgeblicher zeitgenössischer Künstler in konzentrierten Einzelpräsentationen für jeweils sechs Monate. Ein zentraler Aspekt dabei ist die Realisierung notwendiger Ankäufe zur Erweiterung und Ergänzung der in der Sammlung bereits vorhandenen Positionen, die aufgrund der prekären finanziellen Situation des MAK seit der Umwandlung des Museums in eine Wissenschaftliche Anstalt Öffentlichen Rechts unmöglich geworden sind.

#1 Arnulf Rainer / #2 Alfons Schilling / #3 Padhi Frieberger / #4 Franz West / #5 Heimo Zobernig