Studiensammlung Glas

Kurator: Rainald Franz, Kustode MAK-Sammlung Glas und Keramik

Studiensammlung Glas 1993-2013

Einen Schwerpunkt der Aufstellung bildet die Glasproduktion der ehemaligen k.u.k. Monarchie, die um die Jahrhundertwende in ihrer Qualität und Vielfältigkeit einen Höhepunkt erreicht hatte. Das komplexe Zusammenwirken zahlreicher Faktoren und ein weit verzweigtes Netz von Verlegern, Entwerfern, Fachschulen und Glashütten begünstigten diese Hochblüte.

 

Meist wurde ein Glas nicht in derselben Hütte entworfen, erzeugt und raffiniert. Glashütten erwarben vielmehr Entwürfe von KünstlerInnen und führten diese mit eigenem oder ebenfalls erworbenem Rohglas aus. Die Fachschulen wurden von Glasfabriken mit Rohglas versorgt, das sie im Schulbetrieb veredelten. Im Gegenzug lieferten sie kostenlose Entwürfe an die Industrie.

 

Glasverleger wie J. & L. Lobmeyr oder E. Bakalowits & Söhne, beide aus Wien, hatten eine wichtige Vermittlerrolle inne: Sie sorgten für Entwürfe und ließen diese ausführen, ohne dass sie selbst als Fabrikanten in Erscheinung traten.

 

Wien war als politischer und kultureller Mittelpunkt der Monarchie auch Zentrum der künstlerischen Avantgarde mit Vertretern wie Josef Hoffmann, Koloman Moser, Michael Powolny, Jutta Sika, Carl Witzmann, etc. Hier entstanden die Entwürfe, während die Ausführung in den traditionellen Gebieten der Glasindustrie der österreichisch-ungarischen Monarchie, d.h. in Böhmen, erfolgte.

 

Diese Künstlerentwürfe wurden nur in sehr kleinen Auflagen produziert und nicht direkt in das Produktionsprogramm der Hütte aufgenommen. Dennoch kam diesen extrem modernen, revolutionären Entwürfen Vorbildcharakter zu. Aus ihnen wurden in Folge neue Formvorstellungen für das reguläre Hüttenprogramm entwickelt.

 

Zu den bedeutendsten Glashütten und Glasraffinerien, die mit Wiener KünstlerInnen zusammenarbeiteten, zählten vor allem die Glashütte Johann Lötz Witwe in Klostermühle im Böhmerwald, die für ihre irisierenden Dekore bekannt ist; die Firma Meyr’s Neffe in Adolf bei Winterberg, die für die Herstellung von geschliffenem, graviertem und bemaltem Kristallglas steht; die Glashütte Ludwig Moser in Karlsbad; die Glasraffinerie Johann Oertel & Co und Carl Schappel in Haida und andere mehr.

 

Die Fachschulen pflegten engen Kontakt zum Österreichischen Museum für Kunst und Industrie, dem heutigen MAK, und zur Wiener Kunstgewerbeschule, deren LehrerInnen Entwürfe für die böhmische Glasindustrie schufen und deren AbsolventInnen als Lehrende an die Fachschulen berufen wurden. Darüber hinaus beteiligten sich die Schulen regelmäßig an den Winterausstellungen des Museums und präsentierten dort ihre neuesten Entwürfe.

 

Objekte der Firma J. & L. Lobmeyr spannen in der 2007 erfolgten Neuaufstellung der MAK-Studiensammlung Glas den Bogen ins 21. Jahrhundert. Die Tradition der Kooperation mit zeitgenössischen KünstlerInnen fortführend, entwarfen Barbara Ambrosz, Florian Ladstätter, Miki Martinek, Sebastian Menschhorn, Peter Noever und Polka (Marie Rahm, Monica Singer) für J. & L. Lobmeyr Objekte, die über die Vermittlung des Verlegers in böhmischen Manufakturen ausgeführt wurden.

 

Einen weiteren Aspekt der Studiensammlung repräsentieren Glasmalereien für den sakralen und weltlichen Bereich. Die frühesten Beispiele stammen aus dem 14. Jahrhundert aus St. Stephan in Wien und zählen zu den ältesten erhaltenen österreichischen Glasgemälden überhaupt.