Schausammlung Jugendstil Art Deco

Gestaltung: Eichinger oder Knechtl

Schausammlungsraum 1993-2012

Tradition klimt-fries, Macdonald-fries, Möbel von 1895–1920, Jugendstilglas und Gegenwart* eine schwebende Vitrine (23,38 m lang) die Glasräume (je 17,61 m2) zwei Kartonwände (höhe 3,84 m) die Blue Box (der Blick hinunter).

 

Der Verschiedenartigkeit der ausgestellten Objekte steht die Gleichwertigkeit im Umgang mit den verwendeten Materialien gegenüber: naturfarbener Wellkarton, sandgestrahltes Glas, Vitrinenlicht, das durch industrielle Trinkgläser gefiltert wird, ein Betonfertigteil, Fensterachsen, Metallprofile, Glaswände, der Blick aus einer Wandnische, hinunter in den großen Schauraum von Donald Judd.

Die Glasräume: zwei logische Raumflächen im Sinne des Raumganzen. Eigentlich wurden ja nur die vorhandenen, unsichtbaren Räume durch Glaswände (12 mm Sekurit-Floatglas) visualisiert: Dimension 4,35 m auf 4,26 m bei 4,05 m Raumhöhe. Die Glasscheiben, in u-profilen versetzt, reichen vom Boden bis zur decke. Jede Windseite wird gebildet durch jeweils drei gleich große einzelscheiben. Die Eingangsseite besteht aus nur zwei dieser Glasscheiben, sodass ein symmetrischer Eingang in diese begehbaren Vitrinen freibleibt. die dem Eingang gegenüberliegenden drei Glastafeln sind sandgestrahlt und mildern das Licht der dahinterliegenden Fenster zu Museumsgarten und Stubenring. In wechselnden Intervallen sollen hier Möbel von Krenn, Wimmer, Peche, Wagner, Breuer, Singer, Haerdtl, Frank, Hoffmann, Loos, van de Velde gezeigt werden.
Die hängende Vitrine: sie besteht aus 6 (7) Glasvitrinen mit jeweils 3,34 m länge, die in einer geraden Linie aneinandergereiht sind. Die Vitrinen sind mit Orni-Profilen von der Decke abgehängt und heben so die darin ausgestellten farbigen Glasobjekte in die Augenhöhe des Betrachters. eine zwischenebene aus seriell angeordneten industriegläsern ist UV-Filter und Lichtbrecher für die Helligkeit, die von oben auf die Hängevitrine fällt. dieser leuchtende Balken aus glas und Metall macht die Schaustücke – Jugendstilgläser und Metallarbeiten – gleichzeitig von drei Seiten betrachtbar : von vorne, von hinten, von unten. Die zwei Kartonwände sind schützende Schachteln für sehr fragile Ausstellungsobjekte: Klimts Werkstätten-Entwurfsskizze für das Palais Stoclet und „Die Sieben Prinzessinnen“, reliefierter und bemalter Gips mit Halbedelsteinen von Margaret Macdonald. Die Kartonwände betonen das gewandelte Verhältnis zum Rohstoff: es gibt keinen Unterschied im Umgang mit den Materialien. Selbst recyclebarer Wellkarton wird ernst genommen, Wiederverwertung und möglicher Neugebrauch adelt das Material.
Die Blue Box: ein blau verglastes Fenster in einer bestehenden Wandnische ermöglicht den Blick von oben in den Saal, der von Donald Judd gestaltet wird. Ein 30,7 cm hohes Podest (Betonfertigteil) und eine stehende, sandgestrahlte Glasscheibe bilden diese kleine Kapelle. / Eichinger oder Knechtl
 

 

* "Tradition und Gegenwart, Bewahrung und Experiment": Eine Sequenz aus dem Pressegespräch „Transformation eines Ortes“ mit dem ehemaligen Direktor des MAK (1986–2011), Peter Noever

 

Fritz Waerndorfer, Mitbegründer (und Financier) der Wiener Werkstätte bestellte bei Charles Rennie Mackintosh aus Glasgow 1902 einen Musiksalon für seine Wiener Villa – den Speisesaal daneben gestaltete Josef Hoffmann, Mackintoshs Frau Margaret Macdonald entwarf den Fries für den Salon nach Motiven des belgischen Dichters Maurice Maeterlinck. Das Gesamtinventar der Räume galt seit 1916 als verloren, bis der "Waerndorfer Fries" beim Umbau des Museums wieder auftauchte.
Von 1905–09 arbeitete Gustav Klimt am Fries für das Palais Stoclet in Brüssel (Architekt: Josef Hoffmann). Klimts Entwürfe wurden im Auftrag der Wiener Werkstätte von der "Wiener Mosaikwerkstätte" Leopold Forstners umgesetzt und 1911 in Brüssel installiert.
An diesen beiden Auftragsarbeiten für ein fortschrittliches, kunstinteressiertes Großbürgertum werden Charakteristika der Epoche deutlich: Die Secession forderte die Auflösung der hierarchischen Abgrenzung zwischen der "freien" und der "angewandten" Kunst. In der Gestaltung des persönlichen Lebensbereiches mit Prestigeobjekten (Möbel, Glas, Keramik) kommt das nichtindustrielle Kunsthandwerk zu neuem Selbstverständnis. Es besteht ein programmatisches Gleichgewicht zwischen Künstler (Entwurf) und Handwerker (Ausführung). Die Stilelemente variieren europaweit, die Künstlervernetzungen sind eng. "Der Jugendstil stellt den letzten Ausfallversuch der in ihrem elfenbeinernen Turm von der Technik belagerten Kunst dar" (Walter Benjamin, 1935). Im Wunsch nach der Synästhesie des Gesamtkunstwerks klingt der Historismus nach, im Bemühen um richtige Form und adäquate Materialien wird der ästhetische Komfort verlassen, kündigt sich die Moderne an. / Birgit Flos