Seit etwa Mitte der 1980er Jahre haben DesignerInnen ein neuartiges, aber schwer fassbares Formenrepertoire für die verschiedensten Alltagsobjekte – von der Zahnbürste bis zum Motorrad – entwickelt.
17.5.2017—11.6.2017
MAK Forum
Die organisch anmutenden Gegenstände mit fließenden und geschwungenen Formen wurden unter der Bezeichnung „Blobjects“ zusammengefasst – eine Wortschöpfung aus „Blob“ (Englisch für Klecks, Klümpchen oder Tropfen) und „Objekt“. Das Aufkommen der Blobjects, mit denen sich in den 1980er Jahren spielerisch ein überkommenes Formenrepertoire unterlaufen und die Chance auf eine ästhetische Erneuerung wahrnehmen ließ, war untrennbar mit dem Entwerfen am Computer verbunden. Als Ergebnis des Versuchs, durch einen automatisierten und rationalisierten Gestaltungsprozess zu autonomen – unvorhergesehenen und bedeutungsfreien – Gebrauchsformen abseits überkommener Idealvorstellungen zu gelangen, drangen die Blobjects weit in den Bereich des Formlosen vor.

Als Architekt und Designer hat Greg Lynn den Computer schon früh systematisch dazu verwendet, um zu einer „planmäßigen“ Abweichung von den gebräuchlichen Schablonen und Vorlagen zu gelangen. Die von automatischen Computerfunktionen üblicherweise unterdrückten Rechenfehler nahm er in den Designprozess mit auf, um Formen zu entwickeln, die sich auf keine ideale Geometrie zurückführen ließen. Auf diese Weise konnten „formlose“ raumgreifende Ausbuchtungen – sogenannte „Blebs“, also Blasen – in die Oberflächenkontinuen seiner Entwürfe integriert werden.


„Blebs sind Raumtaschen, die entstehen, wenn eine Fläche sich selbst durchschneidet und einen eingeschlossenen Raum schafft. Die meisten Computerprogramme haben automatische Glättungsfunktionen, die diese Elemente in den Flächen beseitigen. Blebs wurden im Büro entdeckt, weil die Glättung unweigerlich die Strenge der Oberflächengeometrie und das rhythmische Muster von Feldern und Kontrollpunkten verfälscht. Durch das Ausschalten der Glättungsfunktion entdeckten wir kleinste Volumina, die die von uns gestalteten Flächen aufwölbten.“ (Greg Lynn: Form, hg. von Bruce Q. Lan, Peking 2006, S. 24)

Als 2008 im MAK die Ausstellung FORMLOSE MÖBEL stattfand, die erstmals die verschiedenen Aspekte und Ausprägungen des Formlosen im Möbeldesign fokussierte, bot Greg Lynn an, in Kooperation mit dem Studio Lynn an der Universität für angewandte Kunst Wien für die Ausstellung ein Objekt zu produzieren, das er bereits seit einiger Zeit in Planung hatte: den Secret Table. Die rechteckige Tischplatte dieses Möbelobjekts bietet gewissermaßen das vorgegebene Format, in – und unter – dem sich die am Computer generierten gekrümmten und gewölbten Blob-Formen entfalten können. Die Dimensionen der „geheimen“ Ausbuchtungen an der Unterseite sind dabei so gewählt, dass sie als „Raumtaschen“ eine Funktion erfüllen: Sie bergen in die Tischfläche eingelassene, mit Deckeln verschließbare Hohlräume, die als Vorratsbehälter oder Geschirrfächer verwendet werden können. Der Secret Table wird hier erstmals mit zwei Modellen präsentiert, die 2007 im Architektur-Studio Greg Lynn FORM in Los Angeles entstanden sind und dem MAK 2012 geschenkt wurden.

Kurator: Sebastian Hackenschmidt, Kustode MAK-Sammlung Möbel und Holzarbeiten