Die Frankfurter Küche

Kurator: Sebastian Hackenschmidt

Die Frankfurter Küche des MAK entstand in den Jahren 1989/90 in enger Zusammenarbeit zwischen Margarete Schütte-Lihotzky und dem Architekten Gerhard Lindner. Aus der Erinnerung der Architektin, aus ihrem Wissen um das Essentielle und ihren programmatischen Überzeugungen wiedererstanden, steht dieser Nachbau zwischen Kopie und Original. Nicht die ursprüngliche Konstruktionsweise, Materialauswahl (z. B. heute Sperrholz statt massivem Weichholz für die Ladenkonstruktion) oder Farbgebung waren wichtig, sondern es galt, die Idee der Küche von 1926 mit ihren technisch raffinierten Lösungen, ihren ausgewogenen Proportionen und der in Erinnerung gerufenen Farbabstimmung neu zu bauen.
Aus: Margarete Schütte-Lihotzky, Erinnerungen (unveröffentlichtes Manuskript, Wien 1980-90)

 

Wie kam es zur Frankfurter Küche?

 

Die Stadt Frankfurt hatte in der zweiten Hälfte der Zwanzigerjahre ein umfassendes Wohnbauprogramm. Meine Aufgabe war es, mich vorerst grundsätzlich mit der Planung und Bauausführung der Wohnungen im Hinblick auf die Rationalisierung der Hauswirtschaft auseinanderzusetzen. Wo wohnt, wo kocht, wo ißt, wo schläft man? Das sind im wesentlichen die vier Funktionen, denen jede Wohnung zu dienen hat. Das Herzstück, das den Grundriß von vornherein bestimmend beeinflußt, ist dabei Essen und Kochen. Mein erster Vorschlag, Wohnräume und Eßküchen zu bauen, wurde wegen Geldmangels abgelehnt (…).So entschieden wir uns für kleine, komplett eingerichtete Arbeitsküchen, die, durch eine breite Schiebetüre mit dem Wohnraum verbunden, in dem auch gegessen wurde, eine Einheit bildeten. Wir betrachteten die Küche als eine Art Laboratorium, das jedoch, da man sich einen wesentlichen Teil des Tages darin aufhält, auch einen eigenen Wohnwert haben sollte. Die für die verschiedenen Küchenarbeiten benötigte Zeit wurde, wie beim Taylorsystem, nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten mit der Stoppuhr abgemessen, um dadurch die größte Schritt- und Griffersparnis zu erzielen.

 

Die sich daraus ergebenden geringen Ausmaße des Raumes erlaubten es nicht, die damals im Handel üblichen Küchenmöbel zu verwenden. Wir hätten, um das zu ermöglichen, viel größere Küchen bauen müssen. Durch die ersparten Kubikmeter Bauumfang ergab sich jedoch eine nicht unerhebliche Kostenreduzierung. Damit bot die Frankfurter Küche zwei Vorteile: Arbeitsersparnis für die Bewohner und zugleich geringere Baukosten. Nur so konnte man den Einbau der Küchen mit all ihren raffinierten arbeitssparenden Einrichtungen in der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung (Gemeinderat) durchsetzen. Das Ergebnis war, daß von 1926 bis 1930 keine Gemeindewohnung ohne Frankfurter Küche gebaut werden durfte.In diesem Zeitraum entstanden rund 10000 Wohnungen mit „Frankfurter Küchen“. Die Kosten der gesamten Einrichtung wurden den Baukosten zugeschlagen und auf die Miete umgelegt. Das war für die Mieter tragbar, um so mehr, da die Anschaffung von Küchenmöbeln nicht erforderlich war. Durch diese Art der Finanzierung war es möglich, die „Frankfurter Küche“ massenweise zu erzeugen und damit tausenden Frauen sehr viel Zeit zu ersparen, die ihren Familien und ihrer eigenen Gesundheit zugute kam.